Die europäischen Weintrauben sind wahrscheinlich durch Kreuzung von domestizierten Tafeltrauben aus Westasien mit lokalen europäischen Wildreben entstanden. Dies geht aus einer Studie hervor, die von der Universität Udine und dem Institut für angewandte Genomik (IGA) durchgeführt und in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde.
Die Studie hat die Evolutionsgeschichte der Weintrauben in Europa anhand genetischer Analysen von über 200 kultivierten und Wildsorten in Europa und im Südkaukasus rekonstruiert und das Gen identifiziert, das für den Übergang der Pflanze von der Wild- zur Kulturrebe entscheidend gewesen sein könnte. Dieses Gen ist für die Zunahme der Größe und die Veränderung der Beerenmorphologie verantwortlich, wodurch die Traube für den menschlichen Verzehr attraktiver und für die Weinherstellung besser geeignet wurde.
In älteren Studien war noch davon ausgegangen worden, dass die heutigen europäischen Weinreben ausschließlich aus der Domestizierung europäischer Wildreben resultierten, unabhängig von den Domestizierungsprozessen in Westasien. Die aktuellen Analysen zeigen jedoch, dass alle heute in Europa kultivierten Rebsorten durch Domestizierung im südlichen Kaukasus (heutiges Georgien, Armenien und Aserbaidschan) entstanden sind, zunächst vor etwa 4000 Jahren als Tafeltrauben und dann als Weintrauben, bevor sie sich nach Westen zum Mittelmeer bewegten und dann nach Südeuropa gelangten, wo sie sich mit einheimischen Rebsorten kreuzten.
Die Forscher vermuten, dass diese Kreuzungen den Reben halfen, die kälteren Winter in Europa zu überleben und sich mit den verschiedenen einheimischen Sorten Europas zu den heute bekannten europäischen Sorten entwickelten. Einmal etabliert, wurden die Trauben auf größere und schmackhaftere Früchte gezüchtet.
Die Forscher fanden in den wilden Trauben des Kaukasus auch ein Enzym, das in den europäischen Sorten nicht vorhanden war. Das Enzym ist dafür bekannt, dass es die Produktion eines Wachstumshormons anregt. Bei wilden Trauben sorgen diese Hormone dafür, dass die Kerne verhältnismäßig groß werden – Trauben, die kleinere Kerne produzieren, sind jedoch sowohl für den direkten Verzehr als auch für die Weinherstellung besser geeignet. Das Fehlen des Hormons deutet darauf hin, dass die Reben aus Westasien erst nach der Domestizierung im Kaukasus nach Europa gelangten und sich mit den dort heimischen Wildreben vermischten.